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  • AutorenbildMartin Stellnberger

Die flüsternde Queen

Aktualisiert: 15. Feb. 2018

Ausgerechnet eine 8 Jahre alte Kleinbildkamera schafft wirklich gute Vorraussetzungen für schöne Bilder im Studio. Warum ist das so?...



Es läutet an der Tür, meine Frau kommt zum Shooting.


Schnell wische ich mir den Mund ab, die Zahnpaste verschwindet. Mit ihr der Gestank der letzten Zigarette (hoffentlich).


»Hallo Schatz :-)«

»Du hast geraucht!«


Keine Chance, ich wusste es. Ich habe es trotzdem versucht, und mir noch nie so oft die Zähne geputzt. Immerhin.


Wenn Menschen zu mir ins Studio kommen, haben sie Angst. Nicht vor mir oder davor fotografiert zu werden, sie haben Angst, dem ganzen Aufwand der hier betrieben wird, nicht zu genügen. Das Studio mit den vielen Geräten macht es schwierig. Besonders dann, wenn es länger dauert, als man sich selbst intutitiv Zeit für ein gelungenes Foto gibt. Spätestens beim zehnten Mal, elften Mal, sollte etwas dabei sein, denkt man. Der Fotograf macht scheinbar endlos weiter. Blitzgewitter und wachsende Verzweiflung. Dennoch ist man bemüht, so zu tun, als wäre das ganz normal. Als wäre man kein »schwieriger Fall«.


Jeder Mensch ist schön. Davon bin ich wirklich überzeugt.


Diese Schönheit zu zeigen ist manchmal schwieriger, manchmal leichter. Es hängt davon ab, wie schnell man sich darauf einlässt, man selbst zu sein. Trotz der vielen Geräte rundherum. Trotz der »unnatürlichen« Situation, genau jetzt ein perfektes Abbild seiner selbst zu werden.


Professionellen Models geht es da im Prinzip nicht anders. All die »fertigen« Gesichter, die sie anbieten, sind zwar oberflächlich attraktiv, passen in die werbliche Vorstellung des Auftraggebers, in das geplante Werbesujet, aber sie zeigen nicht den Menschen, wie er wirklich ist. Sie sind oberflächlich schön, aber nicht echt.


Und genau um diesen »echten Moment« geht es, den man versucht zu sehen.

Der Fotograf macht also nicht scheinbar endlos weiter. Er hofft einfach in diesem »echten Moment« zur Stelle zu sein.





Ich öffne eine Flasche Prosecco, spiele Vocal Deep House und hole meine schwarze Brille von oben.


»Die Brille ist mir viel zu groß.«

»Egal, nimm sie bitte trotzdem.«


Man braucht immer nur ein gutes Foto. Solange man mehrere Fotos in Betracht zieht, hat man noch nicht das »Eine«. Wenn es da ist, ist man fertig. Alle anderen Bilder sind in der Sekunde belanglos.


Auch meine Frau ist ein wenig nervös. Trotz der 9 Jahre, die wir uns lieben und vertrauen, ist sie angespannt. Ich versuche ihr nah zu sein, durch unsere Nähe verlieren die Geräte rundherum ihr Macht. Ich bin ganz bei ihr, sie bei mir. Wir probieren einiges aus. Zuerst ein paar Werbefotos für Vienna Home Staging.


Ich fotografiere mit der Hasselblad H5D direkt in den Laptop und jede Menge Blitz von allen Seiten. Wir wollen cleane Magazinfotos mit weißem Hintergrund für die Presseaussendungen. Sie nimmt einen Polster und einen Stoffhund in die Hand, man soll erkennen worum es geht. »Vienna Home Staging. Jede Immobilie ist ein Einzelstück, wir machen sie einzigartig.« Unsere Bilder sollen wortlos übersetzen.






Der Job ist getan, wir sind im Prinzip fertig. Schöne Freisteller, mit denen die Grafik leicht layouten kann. Meine Frau ist erleichtert. Der Druck ist weg.


Ich drehe alle Lampen ab, außer eine. Mein Lieblingsblitz, der Beauty Dish bleibt.

Ein berühmter Fotograf hat einmal gesagt: »Es gibt nur eine Sonne, also gibt es auch nur eine Lichtquelle«. Die M9 bekommt den Blitzauslöser von der Hasselblad.


»Wir machen noch ein paar Fotos mit der Leica.«


Sanela ist entspannt, gut drauf. Sie vertraut mir, ahnt vielleicht ein wenig. Sie kennt diese Vorgehensweise. Trotzdem wirkt sie. Die schwarze Brille muss sie halten, weil sie viel zu groß ist. Sonst rutscht sie runter. So hat sie etwas zu tun. Hände und Arme sind sonst unnatürlich ruhig. Wenn man nichts zu tun hat, versucht man »fotografiert zu werden«. Das ist schlecht.


Die Leica zwischen uns stört nicht. Im Gegenteil, diese alte Kamera ist fast sentimental. Niemand kann mich »abschiessen«. Ich bin außer Gefahr. Das scheint sie zu vermitteln, diese 8 Jahre alte Kleinbildkamera. Man nennt sie die „flüsternde Queen”, weil sie unaufdringlich ist. Und genau das, ist für mich jetzt wichtig.


Ich sehe durch den Messsucher, stelle die manuelle Schärfe ein, 50mm, Blende 8, das gibt mir einen Spielraum von etwa 30-40 Zentimeter nach vorne oder nach hinten, ich kann mich ein wenig bewegen, sie kann sich ein wenig bewegen.


Nichts stört.

Keine Erwartungshaltung.

Keine grosse Kamera.

Kein Autofokus.

Keine Geräte.


Und dann, ein echter Moment der Schönheit.




Mein Freund und Fotograf Erich Hussmann hat einmal gesagt, »Das bist du, nicht die Kamera, der diesen Moment erwischt«. Vielleicht ist es weder sie noch ich, vielleicht ist es einfach der Glaube daran, dass es mit ihr gelingt.




Erich Hussmann, 2018




Selma Hasica, 2016




Christoph Bauer, 2016




Leica M9, Summilux-M 50mm f/1.4 ASPH. (Black-Chrome Edition)




Wir packen unsere sieben Sachen,

meine Queen ist glücklich und flüstert mir ins Ohr

»Super Foto, Schatz«.





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